Santander steigt in Großbank-Liga auf   
29/07/2004 00:47

Die grenzüberschreitende Konsolidierungswelle in Europa kommt voran. Die britische Bank Abbey National hat dem Übernahmeangebot durch die führende spanische Santander Central Hispano (SCH) zugestimmt. Der Vorstand des Geldinstitutes gab am Montag in London bekannt, daß eine entsprechende Übereinkunft erzielt worden sei. Mit der Übernahme steigt die Banco Santander vom Börsenwert her zur größten Bank der Eurozone auf, steht damit noch vor BNP Paribas und wäre in Europa insgesamt die Nummer vier, weltweit die Nummer acht. Die Konsolidierungswelle in Europa nimmt damit neue Formen an, denn erstmals kommen zwei große Banken aus verschiedenen Ländern zusammen. Sie vereinen – gemessen am addierten Börsenwert – mehr als 51 Milliarden Euro.

Abbey ist mit 741 Niederlassungen und rund 18 Millionen Kunden im Privatkundengeschäft die Nummer sechs und zugleich einer der größten Immobilienfinanzierer des Vereinigten Königreichs. Allerdings musste das Institut zuletzt Milliarden-Verluste nach Spekulationen mit risikoreichen Firmenanleihen hinnehmen. Daraufhin hatte das Geldinstitut sein Geschäft einer Generalüberholung unterzogen: Arbeitsplätze wurden gestrichen, Beteiligungen außerhalb des Kerngeschäfts veräußert und das Geschäft neu organisiert. Nach Verlusten in Höhe von rund einer Milliarde Euro 2003 und 1,4 Milliarden Euro 2002 hatte Abbey für das laufende Geschäftsjahr die Rückkehr in die Gewinnzone in Aussicht gestellt.

Schon seit längerem steht Abbey im Brennpunkt von Übernahmespekulationen: Institute wie die Bank Lloyds TSB, die Bank of Ireland, die National Australia Bank, Australiens größte Bank, und die Royal Bank of Scotland hatten Interesse an Abbey bekundet. Auch mit Santander Central Hispano hatte Abbey dieses Jahr schon einmal verhandelt, die Gespräche waren dann aber abgebrochen worden. Analysten vermuteten, daß die Gespräche am Preis gescheitert waren.

Die Santander-Gruppe will mit dem Zukauf nicht zuletzt einen Ausgleich für die mit ihrer Expansion in Lateinamerika verbundenen Risiken erreichen. Wie die SCH in Madrid mitteilte, stieg ihr Gewinn im ersten Halbjahr von 1,29 Milliarden auf 1,91 Milliarden Euro. Operativ erhöhte sich das Ergebnis von 2,899 auf 3,268 Milliarden Euro. Die führende spanische Bank hatte im vergangenen Jahr einen Nettogewinn von 2,6 Milliarden Euro erzielt, rund 16 Prozent mehr als 2002.

Auch wenn es kurzfristig nicht zu weiteren spektakulären Deals kommen sollte – nach Meinung von Experten bleibt diversen europäischen Branchengrößen über kurz oder lang kaum eine Alternative zu Zukäufen im Ausland. Denn die konzerninternen Restrukturierungen der vergangenen Jahre sind weitgehend abgeschlossen. Gerade wegen der erfolgreichen Umbaumaßnahmen verdient die Branche außerhalb Deutschlands jetzt aber viel Geld, das es zu investieren gilt. Fusionen und Übernahmen seien daher „eine natürliche Option für Manager, die nach Wachstum suchen“, sagt Stuart Graham, Bankenanalyst von Merrill Lynch.

In Spanien spekuliert man derweil, wie Santander den Kauf finanzieren will. Wahrscheinlich soll ein Teil der Übernahme bar bezahlt werden, der Rest könnte über eine Kapitalerhöhung aufgebracht werden. Banco Santander könnte zudem einige Milliarden Euro durch den Verkauf von Industriebeteiligungen aufbringen.