Banken wollen aus dem Privatkunden das Maximum herausholen   
20/05/2004 00:40

Cross-Selling ist das Zauberwort, mit dem die Banken in Deutschland den Verkaufsdruck erhöhen wollen. Ziel ist der wieder entdeckte Privatkunde, der noch vor gar nicht allzu langer Zeit eher wie ein lästiges Geschäftsanhängsel gesehen wurde. Nun stürzt sich die Bankenwelt auf ihn in der Absicht, ihm mehr Produkte als nur ein Girokonto zu verkaufen. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann forderte jüngst im Handelsblatt-Interview, das Cross Selling im Privatkundengeschäft zu verbessern: „Die britischen Banken verkaufen im Schnitt vier Produkte an einen Kunden, wir nur zwei“, sagte er. Die Commerzbank verkauft nach eigenen Angaben 2,5 Produkte je Kunden und will das steigern. Die Dresdner Bank betont zwar stets das enorme Potenzial dank der Konzernmutter Allianz, macht aber keine konkreten Angaben zur Cross- Selling-Quote. Bei den Übernahmespekulationen um die Postbank war stets von der noch ausbaufähigen Cross-Selling-Rate von 1,8 Produkten pro Kunden die Rede.

Deutsche Banken sind nach Ansicht der Experten als Geschäftsbanken aufgestellt und gewachsen, nicht als Retail-Banken. Demzufolge fehle es ihnen an der Fähigkeit, durch gezielte Kundengespräche zu analysieren, was der Kunde braucht – und nicht, was die Bank gerade an Produkten verkaufen möchte. Hier sehen die Fachleute erheblichen Aufholbedarf. Allerdings haben die Banken ihre Defizite wohl verstanden – der zunehmende Wettbewerbsdruck zwingt sie dazu. Der Wettbewerb kommt vor allem von den Strukturvertrieben. Diese Finanzvertriebe wie AWD und MLP sind darin den Banken voraus: beide bieten ihren Kunden schon lange eine computerbasierte Analyse der finanziellen Situation an. Darauf aufbauend verkaufen sie ihre Produkte.

Lars Gehner, Retail-Banking-Spezialist der Unternehmensberatung Mercer Oliver Wyman, meint dazu, der Wandel der klassischen Bank Richtung Vertrieb sei jedoch ein Drahtseilakt. Die Berater dürfen nicht zu aggressiv vorgehen, um nicht ihren Vertrauensbonus zu verlieren, den die Banken immer noch gegenüber den Strukturvertrieben hätten.