05/05/2004 16:35
Norbert M. Massfeller, der zum 1. Mai 2004 ausgeschiedenen Vorstandsvorsitzende der Volkswagen Financial Services AG und Vorsitzender der Geschäftsführung der Volkswagen Bank GmbH, hat sich mit einer überraschenden Empfehlung einer Fusion unter den Captives einstweilen in den Ruhestand verabschiedet. Massfeller begründete sein Plädoyer für eine Zusammenlegung der Finanzdienstleister deutscher Automobilhersteller gegenüber der "Financial Times Deutschland" (FTD, Donnerstagsausgabe) mit einer möglichen Rating-Abstufung der stark konjunkturabhängigen Hersteller. Die Captives, also die herstellergebundenen Autobanken, müssten auf mittlere Sicht aus den Konzernen herausgelöst und als eigenständige Kraft am Markt positioniert werden. Massfeller sagte aber im Gespräch mit Journalisten, dass seine Meinung in der deutschen Automobilindustrie derzeit nicht mehrheitsfähig sei.
Massfeller verglich im Gespräch mit der FTD die Situation der Captives mit einer ähnlichen Lage, in der sich Großbanken befunden hätten, die daraufhin ihre Hypothekenbanken in der Eurohypo zusammenlegten. "Die Eurohypo war kein großer strategischer Wurf, sondern eine Notlösung, weil die Großbanken ihre Bilanzen entlasten und Eigenkapital freisetzen mussten. Die Automobilkonzerne stehen vor dem gleichen Problem", sagte er. Einen Zusammenschluss der deutschen Autobanken zieht er der Übernahme eines Captives durch eine andere Bank aus dem In- oder Ausland vor.
Massfeller rechnet mit einem Szenario, in dem die stark konjunkturabhängigen Autohersteller sich für eine Herabsetzung ihres Ratings wappnen müssen und die konzernabhängigen Finanzierer dadurch mit einer Verschlechterung ihrer Refinanzierungskonditionen bestraft würden. Dieses Schicksal hatte wohl die Volkswagen Financial Services getroffen, nachdem Mitte März Fitch Ratings die Bewertung der vorrangigen unbesicherten Verbindlichkeiten der Volkswagen-Gruppe auf "A" von "A+" gesenkt hatte. Zugleich waren dieses Rating sowie das "F1"-Kurzfristrating auf Rating Watch Negative platziert worden.
Nach Meinung Massfellers haben es die Konzerne versäumt, sich rechtzeitig auf gravierende Veränderungen in den Vertriebskanälen einzustellen. Das Stichwort dazu lautet "Gruppenfreistellungsverordnung". Darin hat die EU-Kommission die Beziehungen zwischen Autoherstellern und Händlern geregelt. Die Neuregelung sieht vor, daß spätestens im Herbst 2005 Handelsorganisationen sich in jedem Land der EU niederlassen können, unabhängig davon, wo der Hersteller seinen Sitz hat. "Wir werden große Händlerfusionen über mehrere Marken hinweg sehen", glaubt Massfeller. Es werde eine neue Marktmacht entstehen, die den Herstellern die Konditionen diktiere.
Weil eine offene Diskussion darüber unter den herrschenden Gegebenheiten nicht möglich ist, hat Massfeller die Konsequenzen gezogen und seinen Vertrag bei VW Financial Services nicht verlängert. Zum 30. April ist er im Alter von 57 Jahren aus dem Unternehmen ausgeschieden, das er in 15 Jahren an die Spitze der europäischen Auto-Finanzierer geführt hat, und geht in den Ruhestand. Massfellers Werdegang führte ihn 1989 als Bereichsleiter Finanzdienstleistungen zur Volkswagen AG nach Wolfsburg. Mit Gründung der Volkswagen Financial Services AG im Jahr 1994 wurde er Vorstandsvorsitzender des Braunschweiger Unternehmens. 1999 übernahm er zusätzlich den Vorsitz der Geschäftsführung der Volkswagen Bank GmbH.
Sein Nachfolger wird Burkhard Breiing, der bis Sommer 2003 Privatkundenvorstand der HypoVereinsbank war.
Massfeller will die geäußerten Diskussionspunkte künftig außerhalb der Konzernzwänge führen. Mit neuen Vertriebsstrategien in der Autoindustrie will sich der Praktiker dann wissenschaftlich befassen. Er schließt aber auch eine Rückkehr in die Branche nicht aus, wenn die Zeit und Umstände es zulassen sollten.
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