Deutsche besitzen geringe Kenntnisse über Finanzen und sprechen ungern über Geld   
24/03/2004 14:51

Zwei Studien beschäftigten sich mit den Deutschen und ihrem Geld und kamen zu Ergebnissen, die sich gegenseitig erklären könnten.

Da ist zum einen die Studie "Die Psychologie des Geldes", die das Forschungsinstitut Sinus Sociovision im Auftrag des Commerzbank-Ideenlabors durchführte. Mit fünfzig Männern und Frauen unterschiedlichen Alters und aus allen sozialen Schichten wurden dazu psychologische Tiefeninterviews durchgeführt. Die Studie ist Teil eines Programms, den Ursachen für die geringe Allgemeinbildung der Deutschen in Finanzdingen auf die Spur zu kommen und diese Defizite zu beheben.
Ergebnis: Das Thema "Geld" ist bei vielen Deutschen ein Tabu. Diese Tabuisierung des Geldes und andere psychische Hemmschwellen seien die Ursache dafür, daß sich viele Deutsche zuwenig mit ihren privaten Finanzen beschäftigen, sagte Thomas Henrich, Abteilungsleiter bei der Commerzbank. Um weitere Nachteile für den einzelnen und die Volkswirtschaft zu verhindern, müsse es zu neuen Denk- und Verhaltensmustern kommen.

Das Problem ist vielschichtig

Die Gründe dafür, daß die meisten Bundesbürger erhebliche Hemmungen haben, sich mit dem Thema Geld zu befassen, sind zahlreich. Professor Stefan Hradil, Leiter des soziologischen Instituts an der Universität Mainz, der das Projekt begleitete, macht sechs Ursachen für die festgestellten Wissensdefizite aus. Hier einige davon: Geld wird als Teil der Intimsphäre wahrgenommen. So ist zu erklären, warum es viele Menschen als unangenehm empfinden, offen über Geld zu reden: Das Gespräch über Geldmangel löst bei vielen Schamgefühle aus, das Reden über zuviel Geld hingegen führt zu Neidgefühlen. Laut Studie trifft dies besonders auf ältere Menschen zu, die ihre Person stark über Einkommen und Vermögen bewerten.
Dazu kommt, daß es als oberflächlich und moralisch fragwürdig gilt, sich intensiv mit Geldthemen zu befassen. Finanziell versiert und damit auch noch erfolgreich zu sein, wird als Übervorteilung anderer gewertet. Mit dieser Meinung haben dann die Finanzexperten zu kämpfen, denen kein Vertrauen mehr entgegengebracht wird. Zudem empfinden die Deutschen das Thema Geld wegen der Produktvielfalt der Finanzdienste als zu komplex. Themen wie Zinsentwicklung oder Altersvorsorge, deren Auswirkungen kaum abzuschätzen sind und noch weit in der Zukunft liegen, lösen bei vielen Angst und Unsicherheit aus. Dies führt zu Vermeidung und Verdrängung: Man delegiere Geldangelegenheiten beispielsweise an den Ehepartner oder verdränge das Thema ganz, heißt es in der Studie.
Besonders bei jungen Menschen in der Ausbildung und bei der älteren Generation von Hausfrauen stellt die Studie eine Unmündigkeit in finanziellen Fragen fest. Diese Personengruppen sehen keine Notwendigkeit darin, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen, da sie sich vom Staat oder Ehepartner "gut versorgt" fühlen. Sie nehmen diese Unmündigkeit selbst gar nicht wahr. Schließlich beschäftigen sich viele Menschen nicht mit Gelddingen, weil es ihnen nicht rentabel genug erscheint, denn es bringe ihrer Meinung nach weder genügend materielle Belohnung noch ausreichend soziale Bestätigung.
Es gibt acht verschiedene Geld-Typen

Aus der Art, sich mit Geld zu beschäftigen oder es eben nicht zu tun, ergeben sich laut Studie acht verschiedene Geld-Typen. Die Spanne reicht Vom 'Resignierten', der abwehrend und frustriert auf Finanzthemen reagiert, bis zum 'Ambitionierten', für den Geld einen zentralen Stellenwert einnimmt und ein Mittel zur Selbstbestätigung ist. Weitere Typen, die in der Studie festgestellt wurden, sind der 'Sorglose', für den Geld nur zum Ausgeben da ist, der 'Delegierer', der die Verantwortung an andere abgibt, der 'Pragmatiker', für den Geld nur Mittel zum Zweck ist, der 'Bescheidene' mit einer klassischen Sparermentalität, der gut informierte 'Sicherheitsorientierte' und der sehr aktive und aufgeklärte 'Souveräne'. "Jede dieser Gruppen steht für Millionen Menschen", ist Hradil sicher. "Außer den 'Ambitionierten' und 'Souveränen' haben alle ermittelten Typen erhebliche Probleme mit dem Thema Geld." Ziel müsse deshalb sein, das Thema Finanzen aus dem gesellschaftlichen Schattendasein herauszuführen. "Es muss in Zukunft zum selbstverständlichen Bestandteil der Alltagskultur werden, über Geld zu reden - auch über das eigene." Dazu sei es notwendig, das Thema in Familie, Schule und Öffentlichkeit immer wieder offen und kompetent anzusprechen. "Auch die Banken sind gefordert."

Im Zusammenhang mit diesen Studienergebnissen müssen die Resultate einer Untersuchung der Bertelsmann Stiftung betrachtet werden:

Deutsche Bürger informieren sich sehr schlecht über Finanzmöglichkeiten.

Zu diesem Ergebnis gelangte die Bertelsmann Stiftung. Die Studie ergab, dass die Deutschen gerade über grundlegende Merkmale von Vorsorge- und Anlageprodukten wenig wissen. Nur jeder Zweite wisse, dass Aktien langfristig die höchsten Zinsen erbringen und jeder vierte halte Aktien für eine besonders sichere Geldanlage. Sogar ein Teil der Besserverdienenden bezeichnet Aktien sicherer als Sparbücher. Ferner ist nur zwei von drei Befragten bewusst, dass bei einer Kündigung von Kapitallebensversicherungen zu Beginn die höchsten Kündigungskosten entstehen.

Durch derartige Wissenslücken wird nach Ansicht der Bertelsmann Stiftung die finanzielle Vorsorge des Einzelnen bedroht. Gründe dafür stellen mangelndes Interesse und fehlende Zeit für finanzielle Angelegenheiten dar. Nach Meinung der Bertelsmann Stiftung müssten die Vorsorgemaßnahmen für die Bürger mehr erläutert werden und sie dahingehend besser ausbilden. Dabei könnten die Verbraucher leichter die passenden Produkte auswählen und die Banken könnten Zeit für Beratungsgespräche einsparen.

Es drängt sich die Frage auf: Wissen die Deutschen so wenig über Finanzen, weil sie aufgrund der Geld-Tabuisierung Hemmungen haben, sich Wissen zu erfragen, oder haben sie Hemmungen bzgl. Geldthemen, weil sie sich ihrer Wissensdefizite bewußt sind? Vielleicht gibt es dazu auch mal eine Studie.